Kieferorthopädie
Bei der Kieferorthopädie handelt es sich um den Teilbereich der Zahnmedizin, der sich ausschießlich mit der Zahnform, Zahnstellung und Relation der Kiefer zueinander beschäftigt.
Dabei gilt es möglichst früh die eventuelle Zahn- / und/oder Kieferfehlstellung zu erkennen und dann entsprechend zu behandeln. Daher müssen der Hauszahnarzt des Kindes, der den kleinen Patienten halbjährlich im Rahmen der Vorsorge untersucht, und der kieferorthopädisch tätige Allgemeinzahnarzt oder der Kieferorthopäde Hand in Hand arbeiten, um keine kostbare Behandlungszeit zu verlieren.
Denn viele Zahnfehlstellungen sollten baldmöglichst reguliert werden.
Allgemeines
Die Kieferorthopädie beschäftigt sich mit der Korrektur von Zahn- und Kieferfehlstellungen. Diese können sowohl erblich erworben – also angeboren sein. Sie können aber auch durch Fehlverhalten – wie zum Beispiel das gewohnheitsmäßige Atmen durch den Mund anstatt durch die Nase – oder durch Gewohnheiten – wie Daumenlutschen, zu lange Verwendung des Schnullers, Stiftekauen, Zungen- und Lippenbeissen hervorgerufen werden.
Je nach Zeitpunkt des Behandlungsbeginns unterscheidet man Frühbehandlungen von den normalen Behandlungsfällen. Die Entscheidung, wann begonnen wird, trifft Ihr Zahnarzt oder Kieferorthopäde.
Die Entscheidung, ob die kieferorthopädische Behandlung bei Ihrem Kind festsitzend oder herausnehmbar durchgeführt wird, trifft ebenfalls Ihr Zahnarzt oder Kieferorthopäde. Oftmals wird eine Kombination der beiden Verfahren als Mittel der Wahl eingesetzt. In schwierigen Phasen der Behandlung wird festsitzend gearbeitet und in Phasen der Retention, das heisst der Sicherung des Behandlungsergebnisses, werden herausnehmbare Apparaturen verwendet.
Ausschlaggebend dafür, wie der überwiegende Teil der Behandlung oder auch die gesamte Behandlung durchgeführt werden, ist der Schweregrad der Behandlung, welche Zahn- und Kieferbewegungen durchgeführt werden sollen, der Zeitpunkt des Behandlungsbeginns und damit das Alter des Patienten und dessen Mitarbeit.
Sinnvoll ist so eine kieferothopädische Behandlung allemal, denn nur bei richtiger Zahnstellung kann das Gebiss ein Leben lang gesund bleiben. Und gesunde Zähne geben die Sicherheit für ein freies und unbeschwertes Lachen, das das Leben erst lebenswert macht. Allerdings müssen die Zähne während einer kieferorthopädischen Behandlung besonders intensiv gepflegt und gründlich gereinigt werden. Wie das am besten geht, erklärt Ihnen gerne -ganz individuell- Ihre Prophylaxehelferin.
Die Kosten für eine kieferorhopädische Behandlung werden von den gesetzlichen Krankenkassen nur übernommen, wenn gewisse Behanlungsrichtlinien vorliegen. Dann wird die Behandlung für Kinder und Jugendliche am Ende der Milchzahnphase bezahlt. Die zu korrigierenden Zahnfehlstellungen werden in fünf Schweregrade unterteilt. Erst ab der dritten Stufe bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen für die kieferorthopädische Behandlung. So wird ein Überbiss (Frontzahnstufe) erst ab einem Abstand von über sechs Millimetern zwischen den oberen und unteren Frontzähnen als korrekturbedürfigt angesehen.
Jedoch müssen die Versichtern immer einen Eigenanteil von 20% der Behandlungskosten bezahlen. Hat eine Familie mehrere Kinder, die alle noch zu Hause leben und gleichzeitig in kieferorthopädischer Behandlung sind reduziert sich der Eigenanteil auf 10% je Kind. Nach erfogreich abgeschlossener Behandlung wird der gezahlte Eigenanteil wieder an den Vesicherten von der Krankenkasse zurückgezahlt. Wird die Behandlung jedoch abgebrochen oder fehlt es an der erforderlichen Mitarbeit des Patienten, dann behält die Krankenkasse das Geld ein.
Ab dem 18. Lebensjahr bezahlen die Krankenkassen die kieferorthopädische Behandlung nur in Extremfällen, wenn sowohl kieferorthopädische als auch kieferchirurgische Leistungen notwendig werden.
Kieferorthopädische Frühbehandlung
Von kieferorthopädischer Frühbehandlung spricht man, wenn Behandlungsmaßnahmen zur Verhütung oder Beseitigung von das Gebiss schädigenden Angewohnheiten (Habits, orofazialen Dyskinesien) oder bei Anomalien der Zähne bzw. der Kiefer noch vor dem 9. Lebensjahr ergriffen werden müssen.
Nur selten ist es erforderlich, eine Behandlung vor dem 4. Lebensjahr zu beginnen. Die Frühbehandlung legt ihren Schwerpunkt auf das Abgewöhnen von Habits, weil dadurch spätere kieferorthopädische Maßnahmen unter Umständen überflüssig werden. Allen Habits ist gemeinsam, dass sie sich sowohl auf die Zahnstellung als auch auf die Entwicklung des Ober- und Unterkiefers sowie deren Lagebeziehung auswirken können.
Sollte das Abgewöhnen des Habits nicht mehr ausreichen, um den Einfluss auf Zähne und Kiefer rückgängig zu machen, so werden auch frühe Behandlungsmaßnahmen mit kieferorthopädischen Apparaturen notwendig.
Bei Lippen-Kiefer-Gaumenspalten oder anderen, extremen Anomalien des Gesichtsschädels liegt der apparative Behandlungsbeginn schon im Säuglingsalter. Sie werden im Folgenden nicht weiter erörtert.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
Die Frühbehandlung zum Abstellen von Habits gehört zu den häufigsten Maßnahmen.
Zu den schädigenden Angewohnheiten zählen:
- Lutschen: Daumen und andere Finger wirken wie ein kieferorthopädisches Gerät im Mund. Oberkieferschneidezähne bekommen Druck nach labial (zur Lippe hin), verändern ihre Position und ziehen den vorderen Bereich des Oberkiefers mit. Die unteren Schneidezähne können entsprechend nach oral (Richtung Mundhöhle) kippen. Mit ihnen zusammen weicht der Unterkiefer in seiner Position nach (dorsal) hinten aus und wird gleichzeitig im Wachstum gehemmt. Ein sogenannter lutschoffener Biss kann sich entwickeln, bei dem obere und untere Schneidezähne keinen Kontakt mehr zueinander haben und sich die Zunge zwischen die Zahnreihen nach vorne lagern kann.
- Schnuller: wirken ähnlich wie das Lutschen, haben aber den kleinen Vorteil, dass sie sich leichter und früher abtrainieren lassen.
- falsches Schluckmuster: beim sogenannten viszeralen Schlucken wird die Zunge bei jedem Schluckvorgang gegen die Schneidezähne gepresst, anstatt sich, wie beim so genannten somatischen Schlucken, dem Gaumen anzulagern. In der Folge weichen die oberen und unteren Schneidezähne nach labial aus.
- Wangenbeißen und -saugen: die Zähne werden auf der entsprechenden Seite in ihrem Längenwachstum gehemmt, die Kiefer können sich durch die auf eine Seite ausgerichtete Muskelbewegung seitenungleich entwickeln.
- Einlagern der Unterlippe: entweder Folge des Lutschens oder eigenständiges Habit: ähnlich wie beim Lutschen weichen obere und untere Schneidezähne aus, das Unterkieferwachstum wird gehemmt, der Unterkiefer rückverlagert
- Lippensaugen, -pressen, -beißen: die oberen Schneidezähne bekommen Druck von labial (von der Lippe aus) und reagieren mit Kippung nach oral (zur Mundhöhle hin), wenn noch nicht alle Schneidezähne durchgebrochen sind, was wiederum ein Durchbruchshindernis für die noch folgenden Schneidezähnen bedeuten kann. Außerdem gerät der Unterkiefer in eine durch den Steilstand der oberen Schneidezähne bedingte Zwangsrücklage
- Sprechstörungen wie z.B. linguale Sigmatismen (zungenbedingte s-Lautfehlbildungen): Lispeln wirkt sich über die Fehlfunktion der Muskulatur auch auf das Gebisssystem aus.
- Habituelle (gewohnheitsbedingte) Mundatmung: diese ist zu unterscheiden von der Mundatmung bei anatomisch gestörter Nasenatmung. In der Folge kann es allerdings auch zur Behinderung der Nasenatmung kommen, da die Nase weniger Wachstumsanreiz ausgesetzt ist
- Kauen an Fingernägeln, Stiften u.a.: wirkt sich ähnlich wie Lutschen aus.
Eine Frühbehandlung mit Hilfe von kieferorthopädischen Apparaturen wird erforderlich, wenn die schädigenden Angewohnheiten schon bleibende Spuren hinterlassen haben oder wenn beispielsweise folgende Kieferfehlentwicklungen (Dysgnathien) ohne Einfluss eines Habits vorliegen:
- umgekehrter Frontzahnüberbiss (Progenie, positive Frontzahnstufe, Unterkiefervorbiss): kann zahnbedingt sein, aber auch durch das Missverhältnis zwischen einem sich zu wenig entwickelnden Oberkiefer bei normaler Unterkieferentwicklung oder zu großem Unterkiefer bei normalem Oberkieferwachstum entstehen.
- Zwangslage des Unterkiefers durch seitlichen Kreuzbiss (umgekehrte Verzahnung im Seitenzahnbereich)
- starke Unterkiefer-Rückverlagerung: durch maxilläre Mikrognathie (Oberkiefer zu klein) oder mandibuläre Makrognathie (Unterkiefer zu groß). In der Folge wird die Unterlippe zwischen den Schneidezähnen eingelagert, was zur Verstärkung der Anomalie führt
- durch Kippung der oberen Schneidezähne nach oral (zur Mundhöhle hin)
- Einbruch der Stützzonen durch frühen Verlust der seitlichen Milchzähne
- überzählige Zähne
- Unfälle
Die Verfahren
I. Das Abstellen von Habits
Habits sollten möglichst frühzeitig abgestellt werden, um die Auswirkungen auf das orofaziale System so gering wie möglich zu halten und ein spätere kieferorthopädische Behandlung möglichst vermeiden zu können.
1. Maßnahmen gegen das Lutschen an Daumen und andern Fingern sollten daher spätestens im 4. Lebensjahr Erfolg zeigen. Hilfreich sind dabei z. B. folgende Vorgehensweisen:
- Abgewöhnen des Daumens durch Anbieten eines Beruhigungssaugers
- dieser wiederum kann dann später leichter abtrainiert werden
- in der Apotheke erhältlicher Nagellack mit Bitterstoffen
- vorgefertigte oder individuell hergestellte Mundvorhofplatte: wird in den Mundvorhof (Raum zwischen Lippe und Zähnen) positioniert und hält so den Daumen und seine Wirkung von den Zähnen fern; gleichzeitig werden die oberen Schneidezähne durch den Druck der Platte wieder in ihre Ausgangsposition bewegt
- Lutschkalender und andere Erinnerungshilfen: sollen Erfolgserlebnisse veranschaulichen und dadurch Verhaltensänderung bewirken
2. Maßnahmen gegen falsches Schluckmuster: Beim viszeralen Schlucken werden die Schneidezähne tausendfach täglich falsch ansetzenden muskulären Kräften ausgesetzt. Als frühzeitige Maßnahmen können eingesetzt werden:
- Mundvorhofplatten: konfektioniert oder individuell hergestellt, die passiv mit Zungengitter oder aktiv mit im Gaumenraum positionierten drehbaren Perlen arbeiten, welche die Zunge beim Schlucken in die richtige Lage trainieren sollen
- logopädische Behandlung (Sprach- und Schlucktherapie): gezielte Zungenübungen sollen das fehlgesteuerte Schluckmuster umprogrammieren; dabei ist regelmäßiges häusliches Training unabdingbar.
3. Maßnahmen gegen Mundatmung: die Folgen von habitueller (gewohnheitsbedingter) Mundatmung für das orofaziale System sind weitaus gravierender, als man zunächst vermuten könnte. Durch die fehlende Filter- und Aufwärmwirkung der Nase ist der Patient infektanfälliger, durch mangelnde Lippentätigkeit und zäheren, weil eingetrockneten Speichel zudem kariesanfälliger. Mangelnde Wachstumsreize auf Oberkiefer und Nase und die Rückverlagerung des Unterkiefers bei fast permanenter Mundöffnung wirken sich negativ auf das Kieferwachstum aus. Letztendlich besteht auch ein Ungleichgewicht der Muskulatur zwischen Zunge und Lippen, da die Lippen untrainiert sind; die Zähne sind für eine korrekte Zahnstellung aber auf ein Kräftegleichgewicht zwischen innen und außen angewiesen. Folgende Behandlungsversuche sind daher indiziert:
- Mundvorhofplatte: reduziert die Atemmöglichkeit über den Mund, womit sich die Nase als natürliche Alternative wieder vermehrt anbietet
- logopädische Behandlung: zum Training der Lippenmuskulatur und bewusster Verhaltensänderung
4. Maßnahmen gegen Sprechstörungen: logopädische Behandlung
II. Die Frühbehandlung mit kieferorthopädischen Apparaturen
Herausnehmbare Apparaturen
Damit das Tragen der Zahnspangen und auch das Reinigen mehr Spass machen, können die Zahnspangen in vielen verschiedenen Farben hergestellt werden. Auch das Einlegen von Motiven vom Rennwagen bis hin zum Lieblingsfußballverein ist möglich.
Herausnehmbare Zahnspangen setzen sich aus Halteelementen wie Adamsklammern Haltedornen und Halteösen zusammen. Bewegungen werden mit Federn wie den Profedern und auch Druckfedern möglich gemacht. Alle diese Drahtelemente werden dann im Kunststoff durch dessen Polymerisation fest verankert
Die wichtigsten Bewegungselemente bei herausnehmbaren Zahnspangen stellen jedoch die Schrauben dar. Sie müssen von den Kindern nach einem gewissen Drehplan, der vom Zahnarzt aufgestellt und genau eingehalten werden muss, selber zu Hause aktiviert.
Die Tragezeit der herausnehmbaren Geräte richtet sich nach den individuellen Behandlungsbedürfnissen und wird von Ihrem Zahnarzt oder Kieferorthopäden festgelegt. Grundsätzlich können herausnehmbare Geräte tags und nachts, das heisst während eines Zeitraums von bis zu 24 Stunden getragen werden. Auch ein Tragen der Zahnspange während des Essens kann erforderlich sein. Die Mindesttragezeit beträgt jedoch in jedem Fall 16 Stunden. Wird diese unterschritten, kann es, neben dem Ausbleiben des Behandlungserfolges, auch zu einer Lockerung der Zähne kommen.
Neben den eben beschriebenen herausnehmbaren Geräten, den sogenannten aktiven Platten, die für den Ober- und Unterkiefer getrennt angefertigt werden und auf die einzelnen Kiefer exakt passen, gibt es auch sogenannte Funktionskieferorthopädische Geräte. Diese werden in der Regel nicht aktiviert und sind nicht für den einzelnen Kiefer gedacht, sondern entfalten ihre Wirkung durch die Muskelkraft, die beim Sprechen, Schliessen des Mundes und Schluckbewegungen ausgeübt wird. Diese Geräte bringen den Unterkiefer in eine andere als die gewohnte Position und dadurch werden Umbauvorgänge an den Knochen Muskeln und Bändern und auch im Kiefergelenk in Gang gesetzt. Auch diese Geräte sind in verschiedenen Farben zu bekommen.
Form und Funktion wird von Ihrem Zahnarzt festgelegt und richtete sich nach dem individuellen Behandlungsbedarf.
Festsitzende Apparaturen
Multiband-Apparatur
Festsitzende Zahnspangen sind nicht herausnehmbare kieferorthopädische Geräte zur Korrektur von Zahnfehlstellungen. Der festsitzenden Behandlung geht meist eine Vorbehandlung mit herausnehmbaren Apparaturen voraus. Die Multiband-Apparaturen bestehen grundsätzlich aus den sogenannten Brackets, die mithilfe der Adhäsivtechnik mittels Kunststoff an den Zähnen befestigt werden und einem daran befestigten Bogen. Die Brackets und Bögen sind mittlerweile nicht nur in Metall, sondern auch in Keramik erhältlich und somit im Mund kaum noch sichtbar.
Die Behandlung mit einer Multibandapparatur verläuft in fünf Phasen:
- Nivellierungsphase – horizontale und vertikale Zahnbogenausformung, Derotationen (Ausdrehen verdrehter Zähne)
- Führungsphase – Bewegung einzelner Zähne in saggitaler und transversaler Richtung, Öffnen oder Schließen des Bisses
- Kontraktionsphase – Beseitigen saggitaler Stufen, Schließen von Lücken
- Justierungsphase – Harmonisierung der Zahnbögen, kleine Restkorrekturen
- Retentionsphase – Halten des erreichten Behandlungsergebnisses
Das Verfahren
Es gibt verschiedene Techniken, die zur Multiband-Behandlung zum Einsatz kommen. Dazu zählen unter anderem die
- Edgewise Technik
- Straight-wire-Technik
- Bioprogressive Technik
- Begg-Technik
- Lingualtechnik
Ursprünglich mussten in die Bögen Biegungen eingearbeitet werden – Edgewise-Technik. Über diese Biegungen konnte man steuern, in welche Richtung der Zahn bewegt werden soll. In den 70er Jahren wurden Brackets entwickelt, die die Biegungen überflüssig machten – Straight-wire-Technik. Die notwendigen Informationen wurden ins Bracket integriert. Auf diese Weise konnte sowohl die Behandlungszeit insgesamt als auch die Dauer der einzelnen Behandlungssitzungen verkürzt werden.
Die Straight-wire-Technik ist heute die am weitesten verbreitete Methode.
Im Rahmen der bioprogressiven Technik wird es ermöglicht, Front- und Seitenzähne getrennt voneinander zu bewegen. Diese Form der Behandlung wird daher auch schon vor Abschluss des Zahnwechsels angewendet. Zuerst wird der Frontzahnbereich ausgeformt, nach Durchbruch der Seitenzähne werden diese ebenfalls über Teilbögen in die Behandlung mit einbezogen und erst in der letzten Phase der Behandlung werden durchgängige Bögen zur Harmonisierung der Zahnbögen eingesetzt. Die bioprogressive Technik wird unter anderem angewendet bei Deckbiss, geringem Überbiss in der Front oder frontal leicht offenem Biss.
Mittels Begg-Technik, auch Light- Wire-Technik genannt, werden die Zähne zunächst durch Kippung der Zahnkronen in die gewünschte Position gebracht. Anschließend werden die Wurzeln bewegt und die Zähne damit wieder aufgerichtet. Bei dieser Form der Multiband-Behandlung kommt es durch die Kippung der Wurzeln gegenüber den anderen Techniken vermehrt zu horizontalem Knochenabbau und Wurzelresorptionen.
Die Lingualtechnik zeichnet sich dadurch aus, dass die Brackets von lingual (von hinten), also unsichtbar auf den Zähnen befestigt werden. Aufgrund des etwas ungünstigeren Kraftansatzes dauert die Behandlung etwas länger als die herkömmliche Methode. In den ersten Wochen nach Einsetzten der Brackets kann die Zunge sich daran stören und ein Lispeln kann entstehen. Neben dem kosmetischen Aspekt der Lingualtechnik muss beachtet werden, dass diese Technik bei einem knappen vertikalen Überbiss nicht angewendet werden sollte, da die Gefahr einer weiteren Bissöffnung besteht.
Ihr Nutzen
Welches der oben genannten Verfahren eingesetzt wird, muss individuell vom behandelnden Kieferorthopäden oder kieferorthopädisch tätigen Zahnarzt entschieden werden, um im Ergebnis eine neutrale Verzahnung, eine optimale Funktion und eine ansprechende Ästhetik zu erzielen. Die Pflege der Zähne und der festsitzenden Metallteile erfordert jedoch mehr Zeit und Gewissenhaftigkeit, wird aber auch seitens der Zahnarztpraxis sehr intensiv mitbetreut. Die darin ausgebildete Prophylaxeasisstentin zeigt den Kindern und Jugendlichen genau, wie und mit welchen Hilfsmitteln Zähne und festsitzende Metallteile optimal gereinigt werden können. Der Lohn für solche Mühen besteht jedoch in einem gesunden Gebiss mit tadellos schön stehenden Zähnen und zahlt sich somit allemal aus.
Unsichtbare Zahnkorrektur
Invisalign®
Bei der Invisalign®-Technik (Synonym: unsichtbare Zahnkorrektur) handelt es sich um ein kieferorthopädisches Verfahren zur Beseitigung von Zahnfehlstellungen mit Hilfe einer Serie von herausnehmbaren transparenten Kunststoffschienen, den so genannten Alignern.
Jeder Aligner hat eine Tragezeit von ca. 14 Tagen. Mit jedem Aligner ändern sich Stärke und Richtung der auf die Zähne wirkenden Kräfte minimal, so dass ein Hinführen auf das Behandlungsziel in vielen kleinen Einzelschritten erfolgt. Je nach Schweregrad der zu behandelnden Fehlstellung ergibt sich ein Bedarf von 10 bis 50 Schienen. Die Schienen müssen täglich mindestens 22 Stunden lang getragen werden, Ausnahmen sind also nur die Mahlzeiten nebst intensiver Mundhygiene und besondere Anlässe. Die Behandlungsdauer überstreckt sich über 9 bis 24 Monate.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
Die großen Vorteile der Therapie mit Alignern bestehen in der uneingeschränkt möglichen Mundhygiene und in der Tatsache, dass sie fast unsichtbar sind. Auch die Phonetik (Lautbildung) ist vergleichsweise unproblematisch; somit stellt die Invisalign®-Technik eine Bereicherung für das kieferorthopädische Behandlungsspektrum bezüglich Berufsgruppen dar, die ästhetisch und phonetisch besondere Ansprüche haben. Außerdem zeigen Untersuchungen, dass sich das anfängliche Tragen für den Patienten im Vergleich zu festsitzenden Apparaturen weniger unangenehm gestaltet. Als nachteilig ist anzusehen, dass Schienen bezüglich des Kraftansatzes am Zahn prinzipiell nicht die gleiche Möglichkeit haben wie festsitzend arbeitende kieferorthopädische Techniken. Wo nötig, müssen deshalb zusätzliche Attachments (Befestigungen) wie z. B. auf dem Zahn mit Komposit-Technik adhäsiv befestigte Knöpfe verwendet werden, um einen Zahn räumlich zu bewegen, also nicht nur zweidimensional zu kippen. Letztendlich ist auch die Kombination mit festsitzenden Apparaturen möglich, wodurch sich das Indikationsspektrum nahezu beliebig erweitern lässt. Die Bandbreite der Anwendungsmöglichkeiten bewegt sich zwischen einfachen (10 bis 20 Aligner) und ausgeprägten (20-50 Aligner) Zahnstellungskorrekturen. Letztere können zum Beispiel nach Zahnextraktionen nötig werden.
Der Haupteinsatzbereich liegt bei folgendem Korrekturbedarf, wobei eine stabile neutrale Interkuspidation (Vielpunktkontakt zwischen Ober- und Unterkieferzähnen) vorausgesetzt wird:
- mittelgradiger Engstand der Frontzähne
- mittelgradiger Lückenstand der Frontzähne
- Protrusion der Frontzähne (Zahnkronen sind zur Lippe hin gekippt)
- Retrusion der Frontzähne (Zahnkronen sind zur Mundhöhle hin gekippt)
- geringgradige Intrusion (Zähne sind in den Kiefer versenkt)
- geringgradige Extrusion (Zähne sind verlängert): hier werden zusätzlich die oben erwähnten Attachments verwendet
Eine nur bedingte Verwendungsmöglichkeit bietet sich bei folgenden Korrekturerfordernissen, sofern nicht weitere kieferorthopädische Hilfsmittel eingesetzt werden sollen:
- Aufhebung von Torsionen (Drehung um Längsachse) der Eckzähne oder Prämolaren (vorderen Backenzähne);
- Lückenschluss z. B. nach systematischer symmetrischer Extraktion der ersten Prämolaren (Entfernung der ersten vorderen Backenzähne);
- Zahnretentionen (im Knochen über ihre natürliche Durchbruchszeit hinaus verbliebene Zähne).
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
Die Invisalign Technologie kann nur im fertig ausgewachsenen Gebiss eingesetzt werden – also bei Erwachsenen. Zudem sind die Kosten für diese Behandlung in überwiegender Mehrheit privat zu bezahlen.
Das Verfahren
- Erstellen des Befundes über die vorliegende Zahnfehlstellung und Planung der Behandlung durch den Kieferorthopäden
- Abformungen von Ober- und Unterkiefer mit einem additionsvernetzenden Silikon (schrumpfungsfreies Abformmaterial)
- Bissnahme zur Übertragung der Lagebeziehung zwischen Ober- und Unterkiefer
- Scannen der Abformungen
- computergestützte 3D-Simulation der geplanten Zahnstellungskorrekturen
- Herstellung der Schienenserie durch die Firma Invisalign® Technology auf Basis der vom Kieferorthopäden eingesandten Planungsunterlagen
- Einsetzen des ersten Aligners am Patienten, Anweisungen zum Trageverhalten
- Regelmäßige Verlaufskontrollen
INVISALIGN ist eine eingetragene Marke der Align Technology, Inc.